Wie viel Persönliches darf in einen Ratgeber?
Vor Kurzem hat mich diese Frage erreicht. Sie ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn das hängt natürlich stark von deinem Thema, deiner Zielgruppe und dir selbst ab. Wie immer, eigentlich. Ich selbst habe öffentlich darüber geschrieben, dass ich eine Wochenbettdepression hatte. Das ist ziemlich persönlich. Und deshalb kann ich euch bei dieser Frage hoffentlich weiterhelfen.
[Für die ganz Eiligen unter euch gibt es am Ende des Artikels "Vier Tipps zum Mitnehmen".]
In Balance - Persönliches und Sachliches
In erster Linie ist es wichtig, dass du die Balance hältst zwischen persönlichen Anekdoten bzw. Erfahrungsberichten und deinem eigentlichen Ratgeber-Inhalt, der aus meiner Sicht immer den größeren Anteil haben sollte! Denn sonst hast du am Ende keinen Ratgeber, sondern einen Erfahrungsbericht. (Mehr dazu hier.)
Zweitens kommt es darauf an, ob du als Betroffene*r schreibst, oder als Expert*in. Im ersten Fall wird zwangsläufig mehr Persönliches von dir in deinem Text zu finden sein ,als wenn du beruflich mit Betroffenen zu tun hast und Beispiele etwa aus deinem Beratungsalltag aufführst. Dann steckst zwar auch du dahinter, aber eben nicht als Privatperson.
Drittens ist entscheidend, für wen und worüber du schreibst. Ist deine Zielgruppe offen dafür, mehr von dir zu erfahren? Erwartet sie das vielleicht sogar? Oder geht es ihr mehr um das Thema an sich? Suchen deine Leser*innen jemanden, mit dem sie sich identifizieren können? Oder ist dein Ratgeber-Thema weniger emotional? In einem Ratgeber zu Suchtproblematiken, geschrieben von einem oder einer ehemaligen Süchtigen, gehören persönliche Erlebnisse eher dazu als in einem Gartenratgeber.
Persönliches im Ratgeber tut deinem Buch gut
Im Ratgeber persönlich zu werden, kann deinem Text enorm helfen. Und zwar auf verschiedenen Ebenen:
Identifikation
Wenn du aus deinem Leben berichtest, von deinen Erfahrungen, haben deine Leser*innen die Möglichkeit, sich mit dir zu identifizieren. Sich nicht allein mit ihrem Problem zu fühlen. Zum Beispiel, wenn es um psychische Erkrankungen geht. Es entsteht eine Beziehung zwischen Autor*in und Leser*in. Eine gute Voraussetzung dafür, dass Ratsuchende deinen Vorschlägen vertrauen, am Ball bleiben und am Ende mit der Lektüre zufrieden sind.
Veranschaulichung
Beispiele aus deinem Alltag, ob als Betroffene*r oder Expert*in, können hilfreich sein, wenn es darum geht, komplexere Sachverhalte oder Zusammenhänge zu erläutern. Ein konkretes Beispiel schafft Verständnis und bleibt besser im Kopf als reine Information. Deine Leser*innen merken sich deine Ratschläge dadurch besser.
Motivation
Außerdem sind sie motivierter, wenn es an deren Umsetzung geht. Vor allem, wenn deine persönliche Erfahrung illustriert, wie du ein Problem gelöst hast. Ja, du kannst auch Beispiele dafür bringen, wie schlecht es dir ging oder wie du nicht weiterkamst. Aber wenn du berichtest, wie du aus dieser Lage wieder heraus kamst, ist das ungleich motivierender.
Darum musst du mit Persönlichem dennoch vorsichtig sein
Was spricht dann dagegen, sehr viele Beispiele zu bringen, ununterbrochen von deinen eigenen Erfahrungen zu erzählen?
Fokus-Verlust
Wenn du zu viel von dir schreibst, läufst du Gefahr, deine Leser*innen aus den Augen zu verlieren. Sie sollten in deinem Ratgeber im Mittelpunkt stehen. Und ihr Problem, das ja sicher nicht exakt
deines ist. Im schlechtesten Fall klappen sie das Buch dann wieder zu, weil sie sich nicht mehr angesprochen fühlen.
Mitleid
Wenn deine Leser*innen das Gefühl haben, du möchtest dein Herz ausschütten und vielleicht sogar auf die Tränendrüse drücken, ist das kontraproduktiv. Du willst kein Mitleid erregen, sondern
anderen helfen. Also setze persönliche Beispiele sparsam ein.
Überforderung
Bei schwierigen Themen musst du außerdem aufpassen, deine Leser*innen nicht zu überfordern. Bleiben wir beim Beispiel, dass ein*e Suchtkranke*r einen Ratgeber schreibt. Wenn er oder sie in allen Einzelheiten schildert, wie schlimm seine oder ihre Lage war, ist das für Betroffene, denen es vielleicht selbst gerade noch sehr schlecht geht, zu viel des Guten. Die Lektüre deines Ratgebers soll ihnen helfen, nicht ihre Lage verschlimmern.
Langeweile
Viele Menschen reden gerne über sich selbst. Sie finden jedes Detail aus ihrem Leben interessant und spannend. Für andere sind ausufernde Erzählungen über persönliche Einzelheiten aber oft auch nur eines: langweilig. Deshalb muss man auch immer prüfen: Ist meine persönliche Erfahrung an dieser Stelle relevant?
Du bist der Maßstab
Und was ist denn nun in diesem Sinne Persönliches? Es geht nicht darum, dein Alter, deine Schuhgröße und deinen Wohnort mitzuteilen. Wenn du in deinem Buch von dir erzählst, muss das IMMER Bezug zum Thema haben und einen Mehrwert bieten. Tut es das nicht: raus damit! Erzähle von deinen eigenen Problemen, deinen Learnings, deinen Erfolgen und Misserfolgen.
Sei dir dabei bewusst: Was du in deinem Buch schreibst, ist für immer (zumindest für eine lange Zeit) öffentlich zugänglich und wird mit deinem Namen verknüpft werden. Das kann ausschließlich positiv sein, wenn es um große Erfolge geht. Sobald man sich aber verletzlich zeigt, ist das schon eine andere Hausnummer. In jedem Fall gibst du etwas bisher Privates von dir preis und musst mit Reaktionen darauf rechnen. Auch mit negativen. Wenn du das nicht aushalten kannst – und das ist völlig in Ordnung – dann lass es lieber weg.
Denk dabei bitte auch an deine Familie und deine Freund*innen, und ja, auch an deine(n) Arbeitgeber*in(nen). Du musst im Reinen mit dir sein, wenn die persönlichen Details öffentlich werden.
Bevor ich „Die Klügere gibt ab“ geschrieben habe, habe ich lange überlegt (und auch mit mir nahestehenden Personen besprochen), was ich erzählen will, wie ich es erzählen will und wie ich damit umgehen kann, wenn es negative Reaktionen gibt. Zum Glück ist Letzteres nicht eingetreten, aber ich wäre darauf vorbereitet gewesen.
Letztendlich bist also auch du der Maßstab: Wie viel Persönliches WILLST du in deinen Ratgeber packen. Es ist dein Buch!
Vier Tipps zum Mitnehmen
Wenn du dir unsicher bist, ob eine persönliche Episode in dein Buch passt, frage dich:
- 1. Passt sie zu meiner Zielgruppe?
- 2. Bietet sie einen Mehrwert?
- 3. Bringt sie mein Thema voran?
- 4. Ist sie authentisch?
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