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„A wie Ante“ – von Fehlern und Unfehlbarkeit

(c) Michal Matlon at unsplash.com
(c) Michal Matlon at unsplash.com

 

 

 

 

Vor Kurzem waren mein Mann und ich auf der Suche nach einer Kinder-App zum Lernen des Alphabets. Eine davon zeigte eine Ente, daneben den Buchstaben „E“ und eine sonore Stimme sprach dazu: „A wie Ante“. Wir sind nachhaltig verwirrt und haben die App gelöscht. Aber die Geschichte illustriert eines wunderbar: Es gibt in der (gesprochenen und geschriebenen) Sprache Fehler, die so gravierend sind, dass sie in jedem Fall negativ auffallen. Wie kann so etwas passieren? Hat das denn keiner überprüft? Und wenn, wieso ist der Fehler nicht aufgefallen? Ein perfekter Anlass, um darüber zu schreiben, wie fehlerfrei Texte überhaupt sein können. Spoiler: Wer 95 % aller Fehler findet, ist sehr gut.

 


Korrektor*innen sind auch nur Menschen

Wenn Leute hören, dass ich beruflich Manuskripte korrigiere, kommen mit ziemlicher Sicherheit drei Fehlannahmen immer zur Sprache:

Korrektor*innen ...

  1. ... machen selbst nie Fehler hinsichtlich Rechtschreibung und Grammatik.
  2. ... kennen alle Regeln und müssen nie etwas nachschlagen.
  3. ... finden immer alle Fehler.

Schön wär's. Denn das würde meine Arbeit enorm erleichtern – und ich könnte mich vor Aufträgen kaum retten. Aber die deutsche Sprache ist so komplex, die Regeln so zahlreich und die Fehlerquellen schier endlos – es wird immer wieder Zweifelsfälle geben, bei denen ich diverse Regelwerke konsultieren muss. Zudem bin ich ein Mensch und die machen bekanntlich was? Genau: Fehler! 

Die harten Fakten

Es gibt keine großangelegten Studien zur Qualität von Korrektoraten. Aber eine Menge Erfahrung. Und die sagt klar: Fehlerfreiheit zu garantieren ist unprofessionell, weil sie nicht zu erreichen ist. Johannes Sailler leitete mehr als 20 Jahre das DUDEN-Korrektorat und ist Autor des Standardwerkes „Handbuch Korrekturlesen“. Er nennt folgende Kennzahlen: Durchschnittliche Korrektor*innen finden 80-90 % der Fehler eines Textes, besonders gute 90 %, nur in Ausnahmefällen mehr. Der Branchenverband der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL) definiert ein „gutes“ Korrektorat als solches, in dem ca. 95 % aller Orthografie-, Interpunktions- und Grammatikfehler gefunden werden.

 

Dabei kommt es auch auf die Textsorte an: Ein Kinderbuch mit weniger Text kann man konzentrierter und häufiger durchgehen und somit die Quote verbessern. Zudem sind Wortschatz und Satzbau dort in der Regel nicht kompliziert. In einem Fachtext mit zahlreichen Fremdwörtern, Eigennamen, Sonderzeichen und komplexen Satzstrukturen wird das Ganze schon anspruchsvoller. Ausschlaggebend dafür, wie viele Fehler am Ende in einem Text stehen bleiben, ist aber immer auch die Qualität des Ausgangstextes. Grob gilt: Je mehr Fehler dieser enthält, desto mehr werden in der Korrektur übersehen. (Außer es handelt sich um die immer gleichen Probleme, nach denen man dann systematisch filtern kann.)

Lässliche und gravierende Fehler

Zum Glück ist aber nicht jeder Fehler, der am Ende durchrutscht, ein Beinbruch. Die "Ante" – wir erinnern uns allerdings schon! Gravierende Falschschreibungen, Kommafehler, die den Sinn entstellen, unvollständige Sätze und so weiter zählen ebenfalls zu dieser Kategorie. Daneben gibt es Fehler, die deutlich unauffälliger sind und damit dem Image von Autor*innen, Herausgeber*innen und auch Korrektor*innen weniger schaden. Wie beispielsweise fehlende Kommas, die die Lesbarkeit nicht beeinflussen, Rechtschreibfehler in Fußnoten oder falsche Zeichenzwischenräume. 

Voraussetzungen für ein gutes Korrektorat

Wie sorge ich nun dafür, dass ich trotz meiner Fehlbarkeit möglichst wenige Fehler übersehe? Hier hat jede*r seine beziehungsweise ihre eigenen Vorgehensweisen. Essenziell sind für mich:

  • Ruhe und Zeit
  • ein ordentlicher Arbeitsplatz
  • ein lesbarer Ausgangstext (das heißt vor allem eine ausreichen große Schriftgröße)
  • regelmäßige Pausen
  • Nachschlagewerke in Reich- oder Tippweite 

Word ist auch nur eine Maschine

Wobei wir bei der vierten falschen Annahme wären:

 

4. Word erkennt das doch alles, wozu brauchen wir überhaupt Korrektor*innen?

 

Ich glaube, es reichen einige Beispiele, um zu verdeutlichen, dass die Rechtschreibkontrolle von Word eben nicht ausreicht. Folgendes ließ sie mir durchgehen:

 

Sie saß auf einem Stahl.

Mit Hilfe eines Programmes findest du nicht alle Fehler.

Seid Halloween habe ich Angst vor Gespenstern.

 

Es gibt natürlich bessere, oft kostenpflichtige Programme zur Rechtschreibprüfung – aber selbst diese finden längst nicht alle Fehler. Denn unsere Menschlichkeit ist beim Korrigieren nicht nur von Nach-, sondern auch von Vorteil!

Betriebsblindheit

Zum Abschluss ein paar Worte zur Korrektur eigener Texte: Wenn du deine eigenen Texte korrigierst, wirst du (und mir geht es da nicht anders) immer mehr Fehler übersehen als in fremden Texten. Der Grund: Du bist betriebsblind. Du steckst zu tief drin und dein Hirn korrigiert diese Fehler beim Lesen quasi automatisch. Eigentlich kein schlechtes Feature – nur nicht, wenn du genau diese finden sollst. Deshalb lass, wenn möglich, zwischen dem Schreiben und dem Überprüfen einige Tage verstreichen. Das federt das Problem zumindest ein bisschen ab. Oder noch besser: Lass einen Profi ran.

 

 

PS: Ist dir die Text-Bild-Schere in diesem Beitrag aufgefallen? Ente und Schaf? Buchstaben und Zahlen? Sie ist natürlich hier so beabsichtigt. Aber Korrektor*innen müssen auch darauf ein Auge haben.

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